Chongqing


Von Xian nach Chongqing

Eines Morgens war Abfahrt in Richtung Chongqing. Zunächst wieder in flachen Ebenen über den Gelben Fluss.
Den Gelben Fluss, der sich durch das mittlere China schlängelt, querten wir mehrfach.



Gelber Fluss

Nach dieser langen Fahrt über die Ebenen und hügeligen Landschaften, hielt plötzlich der Zug.



Terrassenlandschaften

Wir bemerkten, dass eine zweite Lok zum Schieben angekoppelt wurde. Nicht ahnend was das bedeuten sollte, sagte Djin während der Fahrt zu mir, dass wir einen Höhenzug überwinden müssten. Wir hatten keine Vorstellung von dem was kommt.

Dazu muss ich geografisch etwas einfügen: von Kirgistan erstreckt sich das
"Tian-Shan-Gebirge", dort bis über 7000 m hoch, bis nach Mittelchina, wo es abflacht.

Der Zug fuhr sehr langsam bergauf. Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, wir würden immer um den gleichen Berg herum fahren. Djin kam zu mir und meinte ich soll einmal zum Fenster hinausschauen, dies tat ich ohnehin, bemerkte aber nicht, was unter meinen Augen geschah. Wir hatten einige Tunnel durchfahren, ich sah nach unten und bemerkte dass wir einige Etagen höher fuhren. Nach unten schauend sah ich bereits 4-5 Etagen mit Gleisen und - wir hatten Glück – am Fuße des Berges fuhr bereits ein anderer Zug die Höhe hinauf.

Dieser Anblick, nunmehr in einer Höhe von über 1000m, die unter uns liegenden Etagen zu sehen war faszinierend und beeindruckend. Das hatte ich so noch nie gesehen. Die Tunnel, die Gleise, von oben sah alles aus wie in einem Spielzeugland. Das Gesehene realistisch zu schildern ist kaum möglich, das muss man selber erlebt haben.
Auf dem Kamm, oder besser: auf dem Pass angekommen, hielt der Zug. Wir hatten eine Höhe von über zweitausend Metern erreicht. Wenn ich mich richtig erinnere, stand an der Seite eine Tafel mit der Höhenangabe. Es waren 2022 Meter!


Der Pass im "Tian Shan" - Händler in 2000 Meter Höhe

Was dann geschah, übertraf wieder alles was wir bis dahin erlebt hatten.
Auf der Haltestation, es gab keinen Bahnhof, standen längst des Bahnsteiges in einer Reihe, mindestens 40 - 50 Frauen, Kinder und Männer mit Früchten vor ihren Füßen. Sie hatten diese auf Tüchern ausgebreitet und einfach auf dem Boden ausgelegt. Gurken, Kürbisse, Melonen jeglicher Art und Größe und andere exotische Früchte die wir nicht kannten. Ich bin nicht sicher ob das als essbares Gemüse, oder Obst bezeichnet werden kann. Bei wärmeren Temperaturen eine erfrischend, gut schmeckende Frucht.

Von Djin ließ ich mir erklären was das bedeutet, dass die Menschen hier stehen. Er sagte mir, nachdem er mit den Händlern, denn das waren welche, gesprochen hatte, dass die Leute gehört hätten es käme ein Zug mit Fremden aus Europa an dem und dem Tag auf dem Pass an. In den Bergdörfern hätte sich das herumgesprochen und viele sind tagelang über die Höhenzüge unter strapaziösen Bedingungen gelaufen um ihre Waren anzubieten.

Wenn ich mich an diese Erklärung erinnere, schauert und erschüttert es mich noch heute zutiefst. Menschen, die um ein wenig Ware zu verkaufen tagelang unterwegs sind, unvorstellbar! Menschen, die Qualen, Leid und mit Lasten, alles per Fuß und zum Teil über schneebedeckte Höhen, auf sich genommen haben, nur um Europäer zu sehen? In solche Situationen sich hinein zu versetzen ist kaum möglich.

Wir waren alle gut versorgt und litten keine Not! Als die Philharmoniker wahrgenommen hatten was hier abläuft und aus welchem Grund die Menschen da standen, stiegen alle aus dem Zug. Ab da begann von den Händlern eine Art "Marktgeschrei", allerdings sehr verhalten, nicht aufdringlich, nur werbend, um ihre Waren anzubieten und möglichst viel zu verkaufen. Mit Händen und Füßen verständigten sich die Kollegen mit den Händlern und kauften Früchte über Früchte. Wir hatten ungefähr eine Stunde Aufenthalt, in der verlief alles turbulent und zum Teil auch sehr lustig. Leider besitze ich kein Foto von dieser seltsamen, eigenartigen Szenerie, die uns alle sehr bewegte und unbegreiflich vorkam.


Menschen aus einer anderen Welt

Die Menschen, in ihrer einfachen, sicher traditionellen, ärmlich wirkenden Kleidung erschienen mir wie aus einer anderen Welt. Nicht dass es "zerlumpt" aussah, nein, man spürte eine gewohnte, aber eigene Art von Bekleidung die mit einer Selbstverständlichkeit und mit Würde getragen wurde. Gegensätze zwischen uns und diesen wunderbaren Leuten eindeutig.

In solchen Momenten bedauert man, dass eine Verständigung, oder Unterhaltung mit diesen Menschen nicht möglich ist. Selbst mein Djin hatte Schwierigkeiten mit der Verständigung. Dazu muss ich bemerken, dass es in China Hunderte von Volksgruppen, oder Volksstämmen gibt die ihre eigenen Sprachidiome besitzen, die sich von unseren Dialekten unterscheiden.

Das zu verstehen muss man die Entfernungen in diesem riesigen Land versuchen einzuschätzen. Allein die Strecke von Xian nach Chongqing hat eine Länge wie die von Nord- nach Süddeutschland. Xian wird nebenbei bemerkt mit einem "Accent aigu" geschrieben, also Xi'an. Ein wahrhaft einmaliges Erlebnis auf dieser Reise.


Früchte kaufen

Selbstverständlich kaufte auch ich einige Früchte. Bei all diesem Geschehen sah ich nur noch glückliche Gesichter von Menschen, vor allem von Kindern. Solche Erlebnisse die man in einem fernen Land erlebt, gehen nicht nur über unsere Vorstellungskraft hinaus, sondern berührten einen zutiefst.

Glückliche, strahlende Kinder zu sehen ist außerdem etwas Besonderes. Dieses Ereignis werden sie sicher ebenfalls in Erinnerung behalten haben. Die Vorstellung, dass sie nichts von der Außenwelt wussten, noch nie fremde Menschen erlebten, oder was in der Welt passiert, kann man als Europäer schwer erfassen. Mit unserem Wissen das es auf der Welt noch ganz andere Vorgänge gibt, ist es sehr schwer zu erfassen was in diesen Menschen vorgeht, was sie empfinden und wie sie das erlebte aufnehmen.

In solchen Momenten eröffnen sich Gedanken, Ideen und Gefühle, dass man gewillt ist zu sagen die Welt muss sich grundsätzlich verändern! Und sie muss sich verändern, wie wir heute wissen und immer schon gewusst haben!

Als die Loks versorgt waren (ich nehme an, dass sie gewartet, das Wasserreservoir aufgefüllt, sowie Treibstoff betankt wurde), alle wieder eingestiegen waren, setzte sich der Zug langsam in Bewegung. Die Menschen winkten uns begeistert zu, die Kinder rannten ein Stück mit und dann fuhr der Zug auf der anderen Seite eines Berges wieder in einer ähnlichen spiralförmigen Art in die Tiefe. Wie gesagt: solche Erlebnisse zu schildern ist kaum möglich, die muss man einfach selber erleben.


Ankunft in Chongqing

In Chongqing angekommen stand auf dem Bahnhof ein Empfangskomitee.
Ich musste also wiederum den Chef abgeben. Prof. Bongartz war noch in Xian mit den Solisten geblieben, um Liederabende zu veranstalten.



Ankunft in Chongqing (Tschungking)


Empfangskomitee


Zwischen mir und Oskar Sick, dem Verwaltungsdirektor, die örtlichen Funktionäre. Auf dem zweiten Bild dann das Komitee mit mir. Die gleiche Zeremonie, das gleiche Bild. Keiner wusste vom anderen wer er eigentlich sei, was er ist, allenfalls, dass ich der Dirigent war.

Chongqing ist ebenso eine besondere Stadt, wie die anderen historischen Städte in denen wir musizierten. Am Jangtsekiang gelegen, bot sie ein faszinierendes Bild. Städte an Flüssen strahlen immer ihren besonderen Reiz aus.

Nach neuesten Meldungen soll sie vom Territorium her die größte Stadt der Welt sein. Möglicherweise hervorgerufen durch den "Drei Schluchten Damm", dem größten Staudamm der Welt. Der Wasserspiegel soll um 17 m angestiegen sein.

1959 konnten wir das weder beurteilen, noch wahrnehmen, es erschien uns altertümlich. Die geplante Reisezeit reichte dann doch nicht, uns die Stadt insgesamt anzusehen.

Interessant war, dass man mit einer Bergbahn in die obere Stadt gelangt. Ein tolles Bauwerk!



Foto 1959: Bergbahn rechts im Bild



Bergbahn neueren Datums

Die Eindrücke von Chongqing, nach dieser Bahnfahrt übertrafen wiederum alles. Empfangsbankett mit 'zig Gängen, dazu Repräsentieren, Austausch von Gedanken über Kunst, Kultur, Politik und dann der Besuch der traditionellen Nationaloper.

Beim Besuch dieses Spektakels sagte Djin zu mir, die Besucher und die Funktionäre würden sich sehr freuen wenn ich ein paar Worte zum Publikum spreche. Zunächst überrascht und unerwartet beginnt in so einer Situation das Gehirn zu arbeiten. Was sagt man? Wie sagt man es? Was sollte man zum Ausdruck bringen? Auf was Bezug nehmen? usw.

Von der Seite auf die Bühne steigend, beglückwünschte ich zunächst die Schauspieler und bedankte mich für die Vorstellung, danach sprach ich zu den Besuchern. Der Saal war gefüllt bis auf den letzten Platz. Wie soll ich das nun wiederum beschreiben? Zu Djin sagte ich immer, ich werde nur kurze Sätze sagen, da kannst du das wörtlich übersetzen. So auch an diesem Abend. Ein donnernder Beifall umgab mich nach meinen ersten Worten, sie klatschten nach jedem Satz hoch erfreut in die Hände. Nicht beschreibbar was da von statten ging. Auf dem Bild sieht man zwischen mir und dem Funktionär, der zufrieden strahlte, meinen Dolmetscher.



Auf der Bühne von Chongqing



Schauspieler beim Maskieren


Am 23.Oktober fuhren wir zum Konzertsaal. Kurz vor der Ankunft, sah ich ein Riesenplakat:



Konzertplakat Dresdner Philharmonie – Dirigent Siegfried Geissler

Djin fragte ich, da ich auf dem Plakat eine Klaviatur sah, was auf diesem steht. Er sagte dass dies die Termine der Konzerte seien und auf dem Plakat stünde "Dresdner Philharmonie" und mein Name in Chinesisch! Eindeutig zu erkennen, das wir vom 23. -25.Oktober in Chongqing konzertierten. Im Hintergrund der Konzertsaal. Alle diese Säle sahen eher aus wie Tempel. Fassungsvermögen dieses Saales zwischen 3000 und 4000! Alle Abende überfüllt. Ein begeistertes Publikum! Beifall über Beifall!


Thermalbad mitten in China

Wenn der Chef dirigiert, dann bleibt für den zweiten Dirigenten Zeit etwas zu unternehmen.
Djin meint an einem der Tage ob ich Lust hätte in ein nahegelegenes Erholungsbad mit heißen Quellen zu fahren, es läge ca.15 km hinter dem Jangtsekiang. Selbstverständlich! Oskar Sick, fragte ich: "Oskar hast Du Lust mit zu fahren?" Er war sofort bereit. Mein Wolga stand vor dem Hotel, einsteigen und ab die Fahrt. Was wir nicht wussten wie die Überfahrt erfolgte. Am Jangtsekiang angekommen stiegen wir zunächst aus um auf die Fähre zu warten.

Bei dem Wort Fähre läuft es mir noch heute eiskalt über den Rücken. Dazu folgende Geschichte: Djin erzählte uns, dass hier vor Wochen Mao tse Tung in den Fluss gesprungen und darüber hinweg geschwommen sei. An der Elbe groß geworden, diese mehrmals durchschwommen, am Rhein ebenfalls, konnte ich mir beim Anblick und bei der Strömung dieses Flusses das kaum vorstellen. Für meine Begriffe wird man bei einem Sprung ins Wasser von der Strömung sofort mindestens 10 m mitgerissen. Nun gut, wir glaubten ihm. Mao war ja der "Große Führer" zu dieser Zeit.

Nun kommt aber wieder etwas anderes. Zu Djin sagte ich: "Wie breit ist hier der Fluss und wie weit schätzt Du ist es bis an das andere Ufer?" Er sagte lächelnd: "Drei Kilometer!"
Wer an Flüssen aufgewachsen ist kann in ungefähr die Breite eines Flusses einschätzen. Für mich waren es höchstens 300 - 400 m. Da kam wieder das abstrakte, asiatische Denken bei ihm zum Durchbruch. Alles was weiter, oder größer ist als 10, ist groß, oder länger, und wird immer als größer bezeichnet. Ich bin nicht sicher ob man mich diesbezüglich richtig verstehen kann.
Siehe Bild weiter unten!

Wir stiegen also wieder in den PKW Wolga ein, denn die Fähre hatte angelegt und ließen uns auf diese lotsen. In der Annahme, dass eine sichere Auffahrt existiert, lotse uns stattdessen ein Matrose über zwei Bretter auf dieses Gefährt. Er winkte mit den Händen nach links, nach rechts bis wir oben waren. Mir wurde angst und bange wenn ich daran denke: der Wolga rutscht ab und wir damit in den Fluss? Auf Wiedersehen du schöne Welt!
Zu Oskar sagte ich: "Bei der Rückfahrt steige ich vorsichtshalber lieber aus und balanciere mich selber über die Bretter. So möchte ich nicht absaufen!"


Das Erholungsbad

Wir kamen, wie gesagt, nach ca.15 km in dem Bad an, wurden von Djin ins hinein geführt und sehen eine dichte Dampfwolke über dem Wasser, die ein herrliches wohltuendes Bad versprach. Auch hier muss ich eine Kuriosität einflechten.

Chongqing nennt man den "Backofen" von China. Die durchschnittliche Temperatur liegt immer über 20°C. An diesem Tag gab es eine Außentemperatur von 15°C. Wir zogen uns aus und stiegen ins Wasser. Eine Temperatur umgab uns, es erschien mir, als seien wir ähnlich wie in einem tschechischen Thermalbad. Das Wasser trug uns von selbst, man brauchte kaum Schwimmbewegungen zu machen. Möglich das es Radiumhaltig war. Nach einer halben Stunde des Bades stand verzweifelt Djin am Beckenrand und rief uns zu, wir sollten herauskommen, wir würden uns erkälten. Wir riefen nur Djin zu: das ist so herrlich uns passiert nichts wir sind das gewohnt. Nach einiger Zeit kletterten wir aus dem Wasser. Für uns standen zwei Liegestühle mit riesigen wolligen Badetüchern bereit. Eingewickelt versuchten wir ein wenig zu schlummern. Wie uns Djin später erklärte sei das ein Bad für die in der Gegend arbeitenden Menschen, nicht für Touristen.
Noch vor uns hindämmernd, kommt Djin zu uns und sagte: der Bürgermeister und der Parteisekretär hätten erfahren dass wir im Ort seien und sie würden uns zum Essen einladen.


Das Dorfgasthaus

Wir fuhren vom Bad einige hundert Meter in das Dorf, stiegen an einer Kreuzung aus und sahen ein Gasthaus vor uns. Von zwei Seiten vollkommen offen und betretbar. Der offene Teil mit Holzbalken stützte das erste Stockwerk, ähnlich wie die Fachwerkhäuser in Deutschland. Ich schaute neugierig in den Raum und sah primitive Tische und Stühle, an denen teeschlürfende Chinesen saßen. Es war Mittagszeit und sie schienen Arbeitspause zu haben, möglich auch, dass sie zum Palavern im Gasthaus saßen, zumindest hörten wir ein Tohuwabohu an durcheinander sprechender Stimmen.

Über eine Stufe hinweg betraten wir den Raum. Als die Chinesen uns sahen war plötzlich "Funkstille" im Raum! Gebannt starrten sie auf uns. Was für Leute kommen da herein? Auch hier hatten die Menschen noch nie einen Fremden, gar einen Europäer gesehen. Wir wollten uns gerade an einen Tisch setzen, da kamen der Bürgermeister und der Parteisekretär regelrecht angerannt um uns zu empfangen. Zwei kleine gut beleibte Herren, sie baten uns über eine Holzstiege in den ersten Stock.
Oben angekommen stellte uns Djin gegenseitig vor. Im Raum selbst stand ein runder Tisch, ca.2 m im Durchmesser mit acht Stühlen rund herum. Entweder war es ein besonderer Gastraum, oder das Sitzungszimmer des Bürgermeisters. Während wir die Plätze einnahmen kamen noch drei Chinesen hinzu, wahrscheinlich irgendwelche Verantwortliche des Ortes. Nach kurzer Zeit der Begrüßung kamen zwei Kellner mit drei riesigen Speiseplatten, stellten sie auf den Tisch, dazu für jeden einen Teller und ---- Essstäbchen!



              Ein Paar Essstäbchen

Der Bürgermeister bat uns zuzulangen. Nach einem so herrlich erfrischenden Bad bekommt man natürlich Appetit. Sick langte ordentlich zu in der Annahme, dies sei das einzige was sie uns anbieten. Da hatte er sich gewaltig geirrt. Auf den Platten bemerkte ich u.a. Batate-Kartoffeln, eine typisch chinesische Süßkartoffel und natürlich andere köstliche Kleinigkeiten. Kalte Fleischstücken, Geflügel, Fisch, dazwischen auch Obststücke. Ein ausgesprochen malerisch-buntes Bild an Essbarem, hervorragend garniert.

Der Bürgermeister fragte uns was wir trinken möchten. Sick und ich schauten uns an was sie wohl servieren könnten. Tee stand ohnehin da, vielleicht Bier? Sie brachten tatsächlich Bier und dazu kleine 10 cm große Stilgläschen mit einer Tulpe in Fingerhutgröße.


Mau tai 85% Alkohol

Er würde uns auf einen "Mau Tai" einladen. Nicht ahnend was eingeschenkt wird füllten die zwei Kellner die Gläschen voll und dann, mit einem kleinen Trinkspruch und "Gan bei", in einem Zug auf Ex die Gurgel hinunter.

Mir blieb die Luft weg!

Ich schnappte im wahrsten Sinne des Wortes nach Luft. Djin sagte mir, dass wir einen Reisschnaps getrunken hätten mit 85% Alkohol. Wenn die Chinesen spüren, dass der Gast auch gern trinkt, dann ist "Gan bei" eine ständig sich wiederholende Einladung zum Trinken, quasi eine Selbstverständlichkeit. Bei allen Anlässen bemerkte ich, dass die Chinesen dem Alkohol sehr zugetan sind.

Nach dem zweiten "Mau Tai" und den Vorspeisen, denn das waren welche, sagte Sick zu mir: "Ich kann bald nicht mehr." Er hatte zu sehr zugelangt, eben in der Annahme, dass nichts weiter angeboten wird. Etwas zurückhaltender aß ich von den Leckerbissen auf den Platten.


Deutsches Essen in einem chinesischen Dorf

Wir sitzen am Tisch und diskutieren mit den Chinesen, da öffnete sich die Tür und der Kellner kam mit einer Riesenterrine angerauscht, stellte sie mitten auf den Tisch, dazu frische Teller, Reisschüsseln, Glasnudeln, Gewürze.

Die Größe der Terrine war unbeschreiblich, sie muss ungefähr 50-60 cm im Durchmesser gewesen sein. Aus dieser Schüssel duftete es geradezu köstlich. Eine Fleischbrühe in der Geflügelstücke, Schweinestücke und noch anderes Fleisch herum schwammen.

Der Bürgersmeister stand auf, nahm seine Essstäbchen, bat uns den Teller hinzuhalten und verteilte das in der Brühe schwimmende Fleisch. Jeder konnte sich Reis oder Glasnudeln in die bekannten Porzellanschüsseln nehmen und mit einer Porzellankelle die Brühe darüber gießen.

Um es vorweg zu nehmen: es schmeckte so hervorragend, dass ich auf der Rückfahrt zu Sick sagte: "Ich habe noch nie so original deutsch gegessen wie in diesem Dorf."

Dazu muss ich bemerken, wenn ich von Auslands- oder Gastreisen nach Hause kam kochte meine Frau grundsätzlich eine Rindfleischsuppe mit Nudeln. Man muss ja seinen Magen wieder in die Reihe bekommen.

Nach den üppigen Menüs die wir in den Wochen vorgesetzt bekamen und schon mehr als gesättigt waren, fand ich dieses Essen direkt wie eine Erholung von den Mahlzeiten die wir bis dahin vorgesetzt bekamen.

In einem abseits gelegenen unbedeutenden Dorf so ein tolles Gericht serviert zu bekommen, ist genauso unfassbar, wie alles andere was wir erlebten.

Bei der Rückfahrt stieg ich, wie angekündigt, aus dem PKW und balancierte leicht beschwipst vom "Mau Tai" auf den Balken auf die Fähre. Im Hotel angekommen machten wir Beide ein wohlverdientes Nachmittagsschläfchen!


Sonderausflug zu den Grotten von Dazu

An einem der Tage sagte Djin, wir bekämen einen Bus, es könnten aber höchstens 30 Personen mitfahren zu einer weltberühmten Sehenswürdigkeit.
Die drei Grotten bei "Dazu" liegen ca. 90 km südwestlich von Chongqing entfernt. Bei dieser Fahrt fuhren wir durch kleine Ortschaften. In einer Kleinstadt, es könnte der Ort "Dazu" direkt gewesen sein, schauten alle neugierig aus den Busfenstern.

Plötzlich rief ein Kollege: "Schaut mal da drüben!" Wir sahen jede Menge Radfahrer, Radfahrer mit kleinen Rikscha-Anhängern, eigentlich nichts Ungewöhnliches. Allerdings – und nun kommt das Verrückteste was ich je gesehen habe und das es nur in diesem Ort geben soll - wie uns gesagt wurde:

Die Radfahrer fuhren vorwärts, sie traten aber mit den Pedalen rückwärts!

Rückwärts treten und vorwärts fahren, das war wirklich das verrückteste Bild, das man sich vorstellen kann.

Alle lachten herzlichst. So etwas Kurioses zu sehen gibt es nur einmal.
Im Bus entstand sofort eine Diskussion unter den Kollegen wie sie das technisch umsetzen. Jeder wusste natürlich sofort Bescheid und hatte eine Antwort parat. Jeder konnte genau erklären wie das funktioniert, nur beweisen konnte das keiner.


Die Drei Grotten

Bei den Grotten angekommen bot sich uns ein überwältigendes Bild. Wie viel Statuen es insgesamt waren kann ich nicht mehr einschätzen. Die Größenordnung enorm. Ein gewaltiges in Stein gemeißeltes, aus dem Fels heraus gehämmertes Monument.
Die Felsskulpturen von Dazu sind eine Reihe von religiösen Skulpturen die bis auf das 7. Jahrhundert zurückgehen. Ihre Darstellung ist von buddhistischen, konfuzianischen und taoistischen Gedankenwelten beeinflusst.

Unter den Figuren gibt es einen tausendarmigen Buddha, den man den "Avalokitesvara" nennt. Nachzählbar ist das kaum, aber es beweist wieder das abstrakte Denken der Chinesen, das was viel ist, muss dann Tausend sein, oder noch darüber!
Ein faszinierender Anblick! Man kann nur staunend und bewundernd vor solch einem Monument stehen.

Dieser Ausflug bleibt ob der Kuriosität des Gesehenen gleichfalls in der Erinnerung unauslöschlich haften.





Grotten bei Dazu


Originalfoto 1959

Unser Aufenthalt in Chongqing näherte sich dem Ende zu. Eines Tages hieß es wir würden eine "Urlaubsfahrt" auf dem Jangtsekiang machen von Chongqing bis Nanking. Eine Schifffahrt, vier Tage und drei Nächte, 2250 km! Alle Kollegen waren fassungslos.
An der Anlegestelle angekommen, sahen wir einen Luxusdampfer für uns bereit gestellt am Ufer.



Luxusdampfer am Jangtsekiang